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Produktᴱ

Emotionales Potential der Formgestaltung

Mareike Roth

Oliver Saiz

Produktᴱ entschlüsselt das emotionale Potential der Formgestaltung und bereitet es für die Gestaltung auf. So sind Produktemotionen steuerbar und werden zu einem mächtigen Instrument im Designprozess.

Ohne Emotionen würden wir heute noch in Höhlen leben!

Produktᴱ, die Masterthesis von Mareike Roth und Oliver Saiz, setzt sich mit der grundlegenden Komponente der Produktgestaltung auseinander: Der Form. Diese stellt das Fundament für Farbe, Grafik, Material und jedes weitere mögliche Modul dar.

Der gelegte Fokus auf die Gestaltung der dreidimensionalen Form, zeichnet im Speziellen das Produktdesign aus. Bisher tat sich allerdings eine Lücke in Bezug auf eine „emotionale“ Erforschung auf, die durch diese Arbeit geschlossen werden soll. Die emotionale Formgestaltung wird breit gefächert und mittels einspielenden Bereichen, wie z.B. Produktsprache, Semiotik, Neuromarketing, visuelle Kommunikation, Architektur, Gestaltpsychologie oder Verhaltensforschung untersucht und ergänzt. Anhand von zahlreichen provokanten Thesen wird das emotionale Potential der Formgestaltung eindeutig identifiziert und definiert.

Der Geheimcode der Gestaltung ist die Emotion!

Die hohe Komplexität des Forschungsgegenstandes Emotion stellt sich bereits bei einem Definitionsversuch dar - die Philosophie besitzt eine riesige Sammlung und im Design ist keine einzige zu finden. Dies ist erstaunlich, wird bedacht, dass in vielen Bereichen ein Trend zur Emotionsforschung zu verzeichnen ist. Auch in der Designpraxis werden Emotionen als wichtiges Merkmal von Gestaltung bewertet - selbst wenn nicht immer klar zu sein scheint, von welchem Phänomen genau gesprochen wird. Über die Wirkungen und insbesondere die Ursachen der Formen wird im Regelfall nicht reflektiert - weder als Betrachter bzw. Konsument, noch (in den wenigsten Fällen) als Gestalter.

Die besondere Herausforderung der sich Produktᴱ stellt liegt darin, die größtenteils unbewussten Prozesse bewusst und damit kontrollierbar werden zu lassen. Wird klar, warum spezifische Formen eine psychologische Wirkung haben, wo der Ursprung dieser Empfindungen liegt und wie diese - ohne plakativ oder offensichtlich zu werden - gezielt Emotionen wecken können, ist das ein machtvolles Gestaltungswerkzeug. Auf dem selben Rang wie der Prozess der Gestaltung ist hierbei auch die Verantwortung, die Designer gegenüber Umwelt und Gesellschaft haben, zu sehen. (Produkt-)Gestalter setzen irreversible Zeichen in die Welt. Es geht unterm Strich um weitaus mehr als Verkaufszahlen und Funktion. Gestaltung ist ein wirkungsvolles Instrument um Aussagen zu treffen und Meinungen, als auch Stimmungen und vor allem Emotionen, zu steuern. Der Designer (egal aus welchem Genre) muss sich darüber gewahr sein, was sein Werk ausdrückt und bewirkt. Diese Verantwortung kann allerdings nur ernst nehmen, wer sich über den Gehalt seines Tuns im Klaren ist. Design, das sich in der heutigen reizüberfluteten Konsumwelt behaupten will, muss sich mit Betrachter und Benutzer verständigen. Die universelle Sprache zwischen Produkt und Mensch ist die Emotion. Die gerichtete emotionale Botschaft, die jedes einzelne Produkt transportieren soll, steht bislang noch zu sehr im Hintergrund des Produktdesigns. Diesen emotionalen Darkroom soll ProduktE erhellen. Wichtige Teilbereiche der (für das Produktdesign) noch weitestgehend unentdeckten Emotionshöhle, werden ausgeleuchtet.

Funktion ist Pflicht, Emotion die Kür!

Bisher gab es keine einheitliche Methode, die Produktemotionen zu visualisieren und damit auch zu kommunizieren. ProduktE kann als wichtiger Schritt auf diesem Weg verstanden werden. Außerdem verschafft diese Arbeit dem Designer eine Argumentationsgrundlage, um seinen Entwurf gegenüber den weiteren an der Produktentwicklung Beteiligten, zu vertreten. Denn auch wenn Emotionen immer in einem Kontext verstanden werden müssen, sind sie dennoch nie beliebig. Hier setzt dieses Werk an, das die Emotionen für Gestalter klar definiert und aufbereitet. Eine der Hauptfragen, der auf den Grund gegangen wird, lautet: Welche Form löst welche Emotion aus? Dazu dienen die zehn gestaltungsrelevanten Basisemotionen als Kategorien, in die sich jede Gestaltung einordnen lässt. Der eigens kreierte Emotional Navigator setzt die Komponenten Emotion und Form in Bezug zueinander. Auf dieser Karte lassen sich emotionale Zonen für das jeweilige Produkt zuordnen. Verbunden mit einem Werteumfeld wird somit ein Bereich abgesteckt, welcher bereits in eine konzeptionelle Richtung navigiert - sozusagen die Wesenszüge des Produkts. Der dazugehörige Formenkatalog ist eine Inspirationsquelle für den Gestalter. Dadurch wird eine formale Ausrichtung sichtbar und gibt gestalterischen Halt. Navigator und Formenkatalog vereinen die Essenz der extrahierten Ergebnisse. Diese beiden Werkzeuge helfen dem Gestalter, die gewünschten Emotionen, Subemotionen und Werte in eine formale Richtung zu manövrieren und dienen als ordentliches Paar Laufschuhe für den bevorstehenden Gestaltungsmarathon.

Die gestalterische Umsetzung von ProduktE legt den Schwerpunkt auf die Übersetzung des Formenkatalogs in eine Objektreihe. Dabei steht ein direkter Transfer des formalen Ausdrucks auf das Objekt im Vordergrund. Dies dient zum einen der Eindeutigkeit, zum anderen der gezielten Kommunikation der jeweiligen Emotion(en). Mit Hilfe des theoretischen Teils erklärt sich die Herleitung der jeweiligen Formen. Die drei gestalteten Flüssigkeitsbehältnisse sprechen sehr gezielt und direkt Emotionen (Trauer, Überraschung, Zorn) an und erzählen somit ihre eigene (formale) Geschichte.

Das breite Wissen, welches im Laufe dieser Arbeit gefiltert und zusammengetragen wird, ist ein wertvolles Add-on jeder professionellen gestalterischen Ausbildung. ProduktE geht weit über die Designbasics hinaus und steht mit folgender Ausrüstung bereit:

    • Einblicke in die „emotionale“ Designpraxis - das Verständnis dafür, was Emotionen sind
    • Mit Emotionen verknüpfte Gestaltungsfaktoren
    • Designrelevante Basisemotionen
    • Einblicke in Methoden zur Emotionsmessung
    • Emotions-Formen
    • Transfer aus Gestaltung, Architektur, Psychologie und Verhaltensforschung
    • Emotional Navigator zur Orientierung
    • Formenkatalog der Emotionen
    • Gestalterische Umsetzung (Flüssigkeitsbehältnisse)