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KI-Personas im Human-Centered Design

Konzept zur Nutzung von KI-Personas für einen kontinuierlichen Fokus auf die Zielgruppenperspektive

Johannes Held

Persona-Profilbilder

Menschenzentrierte Gestaltung
Unternehmen müssen ihre Angebote stetig weiterentwickeln, um in einer komplexen, sich wandelnden Welt wettbewerbsfähig zu bleiben. Dabei ist es entscheidend, die Anforderungen von Nutzer:innen zu erkennen und einzubeziehen, um Lösungen zu gestalten, die den tatsächlichen Bedürfnissen entsprechen.

Dafür gibt es verschiedene Praktiken, wie zum Beispiel die des Human-Centered Design, um menschenzentrierte Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Für Designer:innen ist es wichtig, in Kontakt mit ihrer Zielgruppe zu treten – in der Regel durch Interviews, Beobachtungen und schließlich durch Nutzertests.

Diese Methoden sind entscheidend, um die Bedürfnisse und Wünsche der Zielgruppe zu verstehen und eine Designlösung zu entwickeln, die deren Probleme gezielt löst.

Human-Centered Design, eine Praktik für die Entwicklung menschenzentrierter Produkte und Dienstleistungen (Eigene Darstellung auf Basis von E DIN EN ISO 9241-210 (2019))


Zweck statischer Personas
Aufgrund begrenzter Ressourcen, Zeitmangels und der eingeschränkten Verfügbarkeit der Zielgruppe beschränkt sich dieser direkte Kontakt jedoch auf wenige Stationen innerhalb der Produktentwicklung. Insbesondere während der eigentlichen Entwicklungsphase besteht häufig kein unmittelbarer Austausch mit Nutzer:innen und anderen Stakeholdern, also alle Personen, Kunden und Organisationen, die Einfluss auf das Produkt oder die Dienstleistung haben.

Um sich dennoch kontinuierlich an den Nutzer:innen zu orientieren, nutzen Designer:innen verschiedene Methoden, darunter Personas. Diese sind fiktive, aber realistische Beschreibungen (potenzieller) Nutzer:innen eines Produkts oder einer Dienstleistung. Sie helfen dem Designteam, sich in die Perspektive der Nutzergruppen hineinzuversetzen und eine klarere Vorstellung davon zu gewinnen, welche Lösungen ihnen am besten helfen würden. Dabei greift das Designteam auf bestehendes Wissen über die Zielgruppe sowie auf eigene Erfahrungen – und damit auch auf Voreingenommenheiten – zurück.

KI-Personas
Statt sich ausschließlich auf die eigene Vorstellungskraft zu verlassen, können KI-Personas direkt befragt werden. Dabei wird ein großes Sprachmodell wie zum Beispiel ChatGPT damit beauftragt, die Rolle einer Persona einzunehmen und so zu kommunizieren, wie es ein:e echte:r Nutzer:in tun würde. Die KI nutzt hierfür eine Vielzahl öffentlich zugänglicher Informationen, eigene Projektdaten sowie das zugrundeliegende Personaprofil.

Die Nutzung von KI-Personas bietet einige Chancen: Sie ermöglicht es, die Perspektiven mehrerer Nutzergruppen in kurzer Zeit einzubeziehen. Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit, durch unerwartete Impulse und Antworten der KI neue Erkenntnisse zu gewinnen. Große Sprachmodelle können menschliche Erfahrungen in großem Umfang abbilden und Designer:innen dabei unterstützen, ein tieferes Verständnis für die Nutzerperspektive zu entwickeln. Darüber hinaus lassen sie sich als „Partner“ in der Ideengenerierung einsetzen, indem sie neue Denkansätze aufzeigen. Ein großer Vorteil ist vor allem, dass KI-Personas die Sichtweisen verschiedener Nutzergruppen jederzeit und in nahezu jeder Entwicklungsphase simulieren können.

Profil einer Persona in Yosona


Risiken
Gleichzeitig birgt diese Methode gewisse Risiken: KI-Systeme können leicht Vorurteile aus ihren Trainingsdaten übernehmen. Teilweise liefern sie auch scheinbar valide, aber unzutreffende Informationen und klingen dabei so als würden sie die Wahrheit sagen. Ebenso erfassen sie unterschwellige Gefühle und menschliche Nuancen oft nur vereinfacht.

Aus diesem Grund haben die Untersuchungen und Interviews in dieser Arbeit gezeigt, dass viele Designer:innen KI-Systemen meist skeptisch gegenüber stehen. Dennoch wäre es für sie hilfreich, spontan und auf die Schnelle’ die Perspektive ihrer Zielgruppe einzubeziehen und Feedback auf ihre Ideen zu erhalten. Sie sehen die Chance insbesondere darin, schneller und häufiger zu iterieren - also Ideen und Prototypen schrittweise zu verfeinern.

Probleme mit bestehenden Anwendungen
In Designprojekten müssen oft die Bedürfnisse und Meinungen verschiedener Stakeholder, wie Nutzer:innen, Unternehmen oder Behörden berücksichtigt werden, damit das Produkt oder die Dienstleistung marktfähig ist. Um Personas für diesen Zweck zu nutzen, ist es hilfreich, mit mehreren KI-Personas in einem Chat kommunizieren zu können und schnell zu erfassen, welche Meinungen die Personas gemeinsam haben und worin sie sich unterscheiden. Bestehende KI-Systeme wie ChatGPT sind nicht darauf ausgelegt, „auf die Schnelle“ effektiv die Meinung mehrerer KI-Personas – also verschiedener Nutzerperspektiven – einzuholen und dabei zu helfen, den Überblick zu behalten. Auch das Anlegen von Personas ist in diesen Systemen nicht ideal.

Yosona
Die in diesem Projekt entwickelte Anwendung Yosona löst diese Herausforderungen. Sie ermöglicht es, KI-Personas anzulegen und sie verschiedenen Chatgruppen zuzuweisen. Die Anwender können dadurch gleichzeitig mit mehreren KI-Personas innerhalb einzelner Chats kommunizieren. Das Tool hilft, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Antworten der Personas auf einen Blick zu erkennen, indem angesprochene Themen automatisch markiert werden. So können Designer:innen schnell unterschiedliche Perspektiven einholen und vergleichen.

Woman working on a labtop
Designerin bei der Verwendung von Yosona (Eigene Darstellung unter Verwendung von https://elements.envato.com/de/the-business-woman-works-on-the-laptop-at-sunset-LKB7UTM)


Wie funktioniert Yosona?
Schauen wir uns als Beispiel das fiktive Unternehmen Wellory Health Tracking an. Dieses bietet Armbänder an, die die Vitaldaten ihrer Träger:innen messen und sie so unterstützt, ihre individuelle Gesundheit gezielt zu verbessern.

Wellory möchte seine App kontinuierlich verbessern, damit die erfassten Vitaldaten für Nutzer:innen leicht verständlich sind und sie langfristig motiviert bleiben. An dieser Stelle kommt Yosona ins Spiel: Das Team von Wellory hat in Yosona mehrere KI-Personas erstellt, die unterschiedliche Nutzertypen verkörpern – darunter Vielbeschäftigte mit wenig Zeit, Gesundheits- und Sportenthusiast:innen sowie Menschen mit speziellen Gesundheitsbedürfnissen.

In Chats wird das Feedback dieser Personas zu neuen Ideen oder Funktionen eingeholt. Zudem werden ihre Bedürfnisse und Herausforderungen tiefergehend untersucht, um wichtige Annahmen zu formulieren, die die Nutzung der App beeinflussen und schließlich mit echten Nutzer:innen validiert werden können. Sobald die Designer:innen bei Wellory erste Konzept-Entwürfe oder eine Skizze erarbeitet haben, laden sie diese in Yosona hoch. Die KI-Personas reagieren darauf entsprechend ihrem Profil – also so, wie es eine Person mit diesen Eigenschaften tun würde. Dabei benennen sie mögliche Probleme oder Verbesserungen.

Chat mit mehren Personas und farbig markierten Themen

Gegensätzliche Meinungen der Personas gegenübergestellt


Um besser nachvollziehen zu können, auf welcher Grundlage das KI-Modell im Hintergrund die Meinung einer Persona bildet, können Anwender:innen einen Transparenz-Modus aktivieren. Dann werden die Profilinformationen verlinkt, die das System zur Herleitung der Antwort genutzt hat. Designer:innen erkennen so, ob die Schlussfolgerung der Persona sinnvoll ist und zum angelegten Profil passt. Arbeitet das Designteam mit validierten Personas – also Personas, die auf echtem Nutzerresearch basieren –, kann es auf belastbare Daten zurückgreifen. Falls keine passende Referenz gefunden wird, weiß das Team, dass es diesen Aspekt es noch genauer untersuchen muss. So erkennt es auf einen Blick, wo offene Fragen bestehen, und kann diese gezielt klären, wenn beim nächsten Mal echte Nutzer:innen einbezogen werden. Auf diese Weise macht Yosona bestehendes Wissen genau dort sichtbar, wo es gebraucht wird, und unterstützt gleichzeitig Designer:innen dabei, relevante Wissenslücken zu erkennen.

Transparenz-Modus: Hilft Anwender:innen zu erkennen auf welcher Grundlage Aussagen der KI-Personas basieren


Mit jeder neuen Frage, Funktion oder Designskizze lassen sich die Personas wieder hinzuschalten, sodass das Team ständig im Austausch mit seinen Zielgruppen bleibt. Während echte Interviews und Nutzertests nach wie vor sinnvoll sind, schließt Yosona die Lücke zwischen den größeren Projektschritten. So können Unternehmen wie Wellory kontinuierlich und schnell ihre Produkte und Dienstleistungen optimieren, ohne die Nutzerperspektive aus dem Auge zu verlieren.

Kontextordner: Diese Funktion ermöglicht es, den Personas häufig benötigte bestehende Daten zur Verfügung zu zu stellen

Auswahl der Personas für einen neuen Chat
Profil einer Persona in Yosona
Chat mit mehren Personas und farbig markierten Themen
Persona-Profilbilder
Woman working on a labtop
Designerin bei der Verwendung von Yosona (Eigene Darstellung unter Verwendung von https://elements.envato.com/de/the-business-woman-works-on-the-laptop-at-sunset-LKB7UTM)
Kontextordner: Diese Funktion ermöglicht es, den Personas häufig benötigte bestehende Daten zur Verfügung zu zu stellen
Transparenz-Modus: Hilft Anwender:innen zu erkennen auf welcher Grundlage Aussagen der KI-Personas basieren
Human-Centered Design, eine Praktik für die Entwicklung menschenzentrierter Produkte und Dienstleistungen (Eigene Darstellung auf Basis von E DIN EN ISO 9241-210 (2019))
Gegensätzliche Meinungen der Personas gegenübergestellt