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Hi:Stories – next door

Neue Zugänge für Jugendliche zur Erinnerungskultur an die NS-Zeit

Adrian Jans

Sarah Müller

Marc Schade

Abb. 1: 'Hi:Stories – next door' Key-Visual (eigene Darstellung).

Wie kann die NS-Zeit für Jugendliche im Alter von 14 bis 19 Jahren zugänglich und nachhaltig vermittelt werden?

Die Masterthesis ‘Hi:Stories‘ untersucht gestalterische und didaktische Strategien zur Entwicklung einer zeitgemäßen Erinnerungskultur im deutschsprachigen Raum. Der Fokus liegt auf der Untersuchung der Frage, inwiefern digitale und hybride Formate genutzt werden können, um junge Menschen in ihrer Lebenswelt anzusprechen, ihr historisches Bewusstsein zu schärfen und demokratische Werte zu stärken.

Das zentrale Element der Arbeit ist die Konzeptionierung einer digitalen Anwendung, die als didaktisches Hilfsmittel fungiert, um junge Menschen dabei zu unterstützen, die Zeit des Nationalsozialismus durch die persönlichen Narrative von NS-Opfern und deren Verbindungen untereinander besser zu verstehen. Darüber hinaus veranschaulicht die Darstellung von Kontinuitäten zu gegenwärtigen Themen die Relevanz des Erinnerns. Die Verbindung von theoretischer Fundierung und praxisnaher Umsetzung ermöglicht einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Erinnerungskultur in einem digitalen Zeitalter.

Vorgehensweise

Die Arbeit analysiert Herausforderungen und Potenziale der digitalen Geschichtsvermittlung im Kontext der historisch-politischen Bildungsarbeit vor dem Hintergrund des zunehmenden zeitlichen Abstands zur NS-Zeit und des sukzessiven Ablebens von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Die Methodik umfasst Präsenzbesuche, eine vergleichende Inhaltsanalyse bestehender Erinnerungsprojekte, Experteninterviews und eine Umfrage unter Jugendlichen. Im Rahmen des Projektes wurde ein digitales Format als Anwendungsbeispiel konzipiert, das sich mit einer zeitgemäßen Herangehensweise des Themas Erinnerungskultur an Jugendliche im Alter von 14 bis 19 Jahren auseinandersetzt.

Abb. 2: Masterthesis 'Hi:Stories' (eigene Darstellung).

Strategie

Das Projekt setzt auf digitale Strategien, um die NS-Geschichte für eine junge Zielgruppe zugänglich zu machen. Zentral ist hierbei eine interaktive Anwendung, die historische Inhalte auf emotionale und partizipative Weise vermittelt und so eine neue, zugängliche Form der Geschichtsvermittlung ermöglicht. Die Kombination aus zeitgemäßen Medienformaten, interaktiven Elementen und personalisierten Funktionen schafft einen nachhaltigen Zugang zur NS-Erinnerungskultur für junge Menschen.

Abb. 3: Präsentation der Mobile- und Desktop-Anwendung (eigene Darstellung in Anlehnung an: graphicpages, 2024).

Hi:Stories

Die Anwendung präsentiert sich als ein Medium, das dazu einlädt, sich mit den Geschichten hinter den NS-Opfern und ihren Verbindungen untereinander auseinanderzusetzen. Die mobile App und die begleitende Website ermöglichen die lokale Erfassung von Einzelschicksalen und historischen Orten aus der NS-Zeit und setzen dabei bewusst auf das Serendipity-Prinzip, also das Phänomen, etwas Bedeutsames zu entdecken, ohne dass man bewusst danach gesucht hat. Zudem besteht die Möglichkeit, die Verbindungen standortunabhängig und städteübergreifend zu verfolgen. Eine interaktive Karte zeigt historische und moderne Stadtgrundrisse, um Veränderungen sichtbar zu machen und Verbindungen betroffener Personen nachzuverfolgen.

Abb. 4: Erkunden von Personen, Orten und Verbindungen auf der 'Karte' in der Nähe (eigene Darstellung in Anlehnung an: Asylab, o. A.).

Die Narration der Geschichten erfolgt mittels kurzer, auf die Zielgruppe abgestimmter Videos. Die Website nutzt einen scrollbasierten 3D-Effekt, während die App auf ein vertrautes Story-Format setzt. Historische Fotoaufnahmen werden bei geringem Datenbestand durch Illustrationen in einem Graphic-Story-Stil ergänzt oder in den jeweiligen historischen Kontext der Person zur Zeit gebracht. Die Geschichten werden gezielt mit aktuellen Themen verknüpft, die junge Menschen heute beschäftigen, um niederschwellige Zugänge zu schaffen.

Abb. 5: 'Themenübersicht' auf der Desktop-Anwendung (eigene Darstellung in Anlehnung an: MINIMAL MOCKUPS, o. A.).

Die sogenannte 'Memory Box' bezeichnet den persönlichen Bereich der Anwendung, in dem Nutzer:innen ihre Entdeckungen und Fortschritte speichern können. In diesem Bereich können Personen, Orte und Themen gespeichert werden, um zu einem späteren Zeitpunkt an der entsprechenden Stelle weitermachen zu können. Für vollständig erkundete Geschichten werden Erinnerungsstücke in Form von Gegenständen bereitgestellt, die mit der entsprechenden Geschichte in Zusammenhang gebracht werden können. Erinnerungsstücke in nicht abgeschlossenen Geschichten bleiben ausgegraut, um die Motivation der Nutzer:innen zur weiteren Erkundung zu fördern.

Abb. 6: 'Memory-Box' in der App (eigene Darstellung in Anlehnung an: Design Monks, o. A.).

Ein weiteres zentrales Element stellt das integrierte 'Archiv Lab' dar, das in Kooperation mit den Arolsen Archives entwickelt wurde. Es bietet nicht nur die Möglichkeit, gezielt nach Personen zu suchen und authentische Dokumente einzusehen, sondern erleichtert mit einer KI-gestützten Texterkennung das Lesen historischer Dokumente. Darüber hinaus besteht für Nutzer:innen die Möglichkeit, neue Informationen über Personen und Orte einzureichen, die von den Arolsen Archives nach dem Zwei-Quellen-Prinzip geprüft und in das bestehende Netzwerk integriert werden. Auf diese Weise entsteht ein gemeinschaftliches Archiv, das kontinuierlich neue Verbindungen aufdeckt und historische Erkenntnisse erweitert.

Mit dieser Kombination interaktiver Formate, partizipativer Elemente und wissenschaftlich fundierter Inhalte ermöglicht 'Hi:Stories' einen modernen Zugang zur NS-Erinnerungskultur – ein Ansatz, der die Vergangenheit erlebbar macht und zugleich zum kritischen Denken über die Gegenwart und Zukunft anregt.

Kommunikationsstrategie

Die Strategie basiert auf einer gezielten Social-Media-Kampagne, um die Zielgruppe in den sozialen Medien zu erreichen, in denen sie täglich aktiv ist. Ein starker und seriöser Markenauftritt in den sozialen Medien dient dazu, Neugier zu wecken und durch die Verknüpfung der Geschichte mit aktuellen Themen oder spannenden Details das Interesse darauf zu lenken, dass es neue Perspektiven zu entdecken gibt.

Instagram Carousel-Ads verknüpfen bekannte Persönlichkeiten aus der NS-Zeit mit aktuellen Themen und ermöglichen so einen niederschwelligen Zugang.

TikTok- und Instagram-Reels nutzen Kurzvideos mit dynamischer Sprecherstimme, um historische Themen mit aktuellen Fragestellungen zu verknüpfen und die Neugier der Nutzer:innen zu wecken.

Abb. 7: Instagram-Carousel-Ads am Beispiel Hans Scholl (eigene Darstellung in Anlehnung an: Xvector, o. A.).

Abb. 8: Geschichte von Hans Scholl in der Desktop-Anwendung (eigene Darstellung in Anlehnung an: MINIMAL MOCKUPS, o. A.).
Abb. 9: Ansicht der Geschichte in der App (eigene Darstellung in Anlehnung an: Asylab, o. A.).
Abb. 10: Ansicht der AR-Funktion in der App (eigene Darstellung in Anlehnung an: Stadt Ulm, o. A.).
Abb. 11: 'Archiv Lab' in der App (eigene Darstellung in Anlehnung an: Mr.Mockup, o. A.).
Abb. 12: Scannen eines Stolpersteins (eigene Darstellung in Anlehnung an: Freepik, o. A.).
Abb. 13: 'Hi:Stories' Tote-Bag (eigene Darstellung in Anlehnung an: Tote Bag Urban MockUps, o. A.).